Dass das rudimentäre Möblieren einer Wohnung hier für uns so “complicado” sein wird, hätten wir uns nie gedacht. Mit der Beschaffung der Küchengeräte, welche wir als erstes in Angriff nehmen, beginnt alles noch recht unproblematisch. Kochherd und Kühlschrank, welche wir im Haushaltsartikelgeschäft ausgesucht haben, werden pünktlich geliefert. Am Folgetag kommt der Techniker, der vom Herdlieferanten aufgeboten wurde, um das Gas anzuschliessen. Gasflasche, mit Anschluss und Schlauch hätten aber offenbar wir bei einem Gaslieferanten bestellen sollen. Wir versuchen mit Hilfe des Monteurs, der verständlicherweise etwas genervt aber trotzdem hilfsbereit ist, das fehlende Material zu bestellen. Der Lieferant versichert am Telefon, das Material werde so rasch als möglich geliefert, halbe Stunde sagt er – schliesslich sind es dann eineinhalb. Der Techniker macht sich inzwischen kommentarlos davon. Er reagiert später auch nicht auf unsere Versuche, einen neuen Termin per WhatsApp-Nachricht zu erhalten. Vielleicht können wir das ja auch selber? Mich studiert die Rückseite des Gasherds. Es sollte machbar sein, das Gas selber anzuschliessen. Anders die Elektrik, welche Strom liefern soll für Licht im Backofen und Anzünder. Da ist ein Kabel mit Anschluss für die Steckdose, aber auch ein kleines grünes Kabel für die Erdung wie es in der Anleitung heisst. Aber wohin damit? Steckdosen haben hier nicht drei Löcher. Wir erkundigen uns im Laden, wo wir die Geräte gekauft haben. Die Erdung werde hier nie angeschlossen, in Peru mache man das nicht, heisst es da als Auskunft zum grünen Kabel. Im Moment hängt dieses nun bei uns ebenfalls frei an der Rückwand des Kochherds. Das Gas hat Mich erfolgreich angeschlossen. Nun belassen wir es mal dabei und machen es so wie die Peruaner.

Dem Kochen steht also nichts mehr im Weg. Jetzt brauchen wir einen Esstisch, Stühle und ein Bett. Unsere Vermieter geben uns einige Tipps, wo man sich hier am besten mit Mobiliar eindeckt. “Plaza Hogar” heisst ein Möbelhaus, welches uns empfohlen wird. Wir stellen uns IKEA, Möbel Pfister oder Interio vor. Damit liegen wir aber ziemlich daneben. Plaza Hogar ist zwar ein sehr grosses Gebäude. Darin befinden sich auch viele Möbel. Diese sind untergebracht in ganz vielen Abteilen mit einer Grösse von zehn bis zwanzig Quadratmetern. Diese sind vollgestopft mit Mobiliar, welches von den einzelnen Anbietern verkauft wird.  Nur wenige davon scheinen ein Einrichtungskonzept zu haben. Möbel werden da nicht präsentiert, sondern eher gelagert und gestapelt. Dazwischen spielen die Kinder der Ladenbetreiber, die Geschäftsleute essen gerade ihren Lunch oder schlafen. Bleibt man vor einem „Ladenlokal“ kurz stehen, wird man gleich vom Verkaufspersonal zugetextet. In Ruhe Möbel schauen und vergleichen ist hier schwierig. Die Preise sind nicht angeschrieben. In jedem zweiten Abteil stehen dieselben Stühle, Tische, Betten und Kommoden. Wir sind irritiert und etwas überfordert. Einen ersten Überblick haben wir uns damit aber verschafft. Die Auswahl entspricht nicht so ganz unseren Vorstellungen. Wir suchen weiter.

Quelle: vymaps.com
Quelle: laencontre.com.pe
Quelle: wperu.com.pe

Im Internet entdecken wir einen Möbelproduzenten, der sehr schöne Möbel aus Holz im Angebot hat, Artesana Don Bosco Peru. Ausserdem versteht sich das Unternehmen auch als soziales Projekt. Auf seiner Webseite schreibt er: “Alle Einnahmen aus dem Verkauf von Möbeln und Werken fliessen in vollem Umfang an Handwerker und Arme zurück. Unsere Produkte sind das Ergebnis hochwertiger Handwerkarbeit mit hochwertigen Materialien aus der Region.” Wir fahren dahin, um uns das anzusehen. Wie Möbel präsentieren geht, zeigt sich in diesem wunderschönen Möbelgeschäft im Künstlerviertel Barranco. In einer mondänen Villa stehen hier handgefertigte Tische, Sessel, Schränke und Betten. Es sind zwar Einrichtungsgegenstände im etwas höheren Preissegment, aber doch erschwinglich. Wir sind aber unsicher, ob es Sinn macht hier Möbel zu kaufen, von welchen wir nicht wissen, ob wir sie länger als drei Jahre haben werden. Wir nehmen die Eindrücke mit – kaufen aber noch nichts.

Die Möbel-Odysse geht im Internet weiter und führt uns zu einem Viertel mit einem Häuserblock, um welchen herum unzählige Möbelgeschäfte angesiedelt sind. Wir schauen uns die Möbelstrasse auf Google Streetview an. Ladenlokal reiht sich an Ladenlokal, wobei die Bezeichnung Lagerraum oder Garage den Geschäften eher gerecht wird. Die Möbel stehen mehr oder weniger schön assortiert auf der Strasse vor dem Laden, Tische und Stühle, Bänke, Schränke, Wiegen, Bettgestelle. Obwohl dieser Anblick etwas befremdend für uns ist, beschliessen wir dahinzugehen. Das Mobiliar scheint das zu sein, was wir uns vorgestellt haben. Weil aber im Internet die unterschiedlichsten Berichte über die besagte Gegend kursieren, erkundigen wir uns erst noch bei einer Taxifahrerin nach der Sicherheit des Quartiers. Sie rät uns von einem Besuch eher ab, oder dann besser in Begleitung von Einheimischen. Das gibt uns ein ungutes Gefühl. Wir sehen vorerst mal von einem Besuch ab.

Screenshot Google Streetview
Screenshot Google Streetview
Screenshot Google Streetview

Möbel werden hier oft auch von Schreinereien nach Wunsch angefertigt. Wir finden Adressen von solchen und wollen diese aufsuchen, zunächst erfolglos. Wir werden von ortsansässigen Geschäftsleuten ein wenig in den Häuserblocks herumgeschickt. Mal heisst es da sei was, mal hier… Eher zufällig finden wir dann ein Möbelgeschäft mit rustikalen Holzmöbeln, wie wir sie uns vorstellen. Der Ladenbesitzer bittet uns in sein kleines Lokal, welches ebenfalls mit Möbeln zugestellt ist. Sein Showroom besteht aus zwei alten abgegriffenen Fotoalben, in welchen er uns seine Produktpalette zeigt. Ein Bettgestell gefällt uns. Wir möchten es bestellen. Dauert zwei Wochen sagt der Ladenbesitzer. Wir wollen erst die Matratze kaufen, diese genau vermessen und dem Schreiner dann die genauen Masse durchgeben, bevor er den Auftrag ausführt. Wir glauben, das kommt gut.

Uns fehlen immer noch Tisch, Stühle und Matratze. Wir finden nach erneuter Suche im Internet, etwas weiter weg von hier DAS Möbelhaus. Ripley heisst es und wurde uns ebenfalls empfohlen. Wir schauen erst Online, welche Möbel uns aus diesem Sortiment gefallen. Wir notieren diese, damit wir sie dann im Möbelhaus in echt begutachten können. Das Möbelhaus ist zwar von aussen betrachtet vielversprechend gross, allerdings ist es zum grössten Teil nicht mit Möbeln, sondern mit Mode ausgestattet. Von den Möbeln, die wir im Onlinekatalog gefunden haben, ist hier nur ein Bruchteil zu sehen und eher chaotisch präsentiert. Trotzdem finden wir einen Tisch mit sechs Stühlen zum Aktionspreis, nicht genau das was wir uns vorgestellt haben, aber immerhin ein Anfang. Wir merken uns den Tisch und  begeben uns zu den Matratzen. Eine Verkäuferin schwatzt uns quasi eine Matratze “ihrer” Marke auf. Das Produkt scheint in Ordnung zu sein und wir entscheiden uns zum Kauf – mit Kreditkarte. Die Verkäuferin beginnt am Computer im Onlinestore des Möbelgeschäfts den Kaufprozess für die Matratze in Gang zu setzen. Wir erklären, dass wir gerne auch noch den Tisch und die Stühle zur Matratze dazu kaufen möchten. Das ist bereits die erste Hürde. Nur weil hier Möbel unter einem Dach stehen, heisst das nicht, dass man diese in ein und demselben Kaufvorgang erwerben kann. Also werden wir zum Tischverkäufer an eine andere Kasse geführt. Der Kauf mit Kreditkarte ist zwar umständlich, aber der Supervisor füllt die Quittung auf seinem Block von Hand aus, wirft einen Blick in meinen Pass, schreibt meine Passnummer auf den Quittungsblock, ersetzt das X der Nummer durch eine 0 (weil Zahlen frisst das System nicht) und schiebt dann das Kartenterminal in meine Richtung. Der Tisch ist bezahlt und wird in den folgenden Tagen geliefert. Nun noch die Matratze bezahlen. Die Matratzen-Frau führt uns wieder zurück an ihre Verkaufstheke mit Computer. Der Kaufprozess im Onlinestore mit unserer Visakarte scheitert. Sie meint, wenn wir 100 Soles (Fr. 30.-) Aufpreis bezahlen, könnten wir auch mit der Karte am Terminal bezahlen. Das möchten wir aber nicht. Wir kaufen stattdessen einige Teller und Gläser und verlassen den Laden ohne Matratze. Am nächsten Tag starten wir einen neuen Anlauf zum Erwerb einer Matratze. Wir begeben uns mit Bargeld ausgerüstet in ein anderes Geschäft desselben Möbelhauses, welches etwas näher liegt. Erneut wird hier der Kaufprozess von einem Angestellten im Onlinestore aktiviert. Bei der gewünschten Bezahlungsart klickt der Verkäufer Barzahlung an. Die Software generiert daraufhin einen mehrstelligen Zahlencode, mit diesem müssen wir eine Bank aufsuchen und ihn am Schalter vorweisen, um dort das Produkt bar zu bezahlen. Der Kaufprozess ist abgeschlossen, die Matratze sollte in den nächsten Tagen bei uns eintreffen. Wir sind erschlagen von der umständlichen Möbelbeschaffung und werden darauf bestimmt gut schlafen.