Es ist neu. Verdammt neu alles. Und in Spanisch. Schnell, muy rapido. Und es wird viel gesprochen. Und über alles. Und detailliert. Bis ins Letzte. Und nochmals. Nach einem Tag mit acht Lektionen dampft der Kopf. Alles sehr herzlich mit einem leichten Anschlag von Tristesse. “¿Qué tal? ¡Qué calor!” und wohl schon bald mit dem sich anbahnenden Herbst “¿Qué tal? ¡Qué frio!” gehören zum mehrmals täglich stattfindendem Begrüssungsritual dazu. Das zu unserem Einstieg ins Berufsleben in Lima. Knapp eineinhalb Wochen dürfen wir den normalen Schulalltag miterleben. So haben wir das Glück, wenigstens einen ersten Eindruck zu gewinnen und die Gesichter hinter den wohlklingenden Namen unserer SchülerInnen kennenzulernen. Täglich werden neue Massnahmen veranlasst, um dem drohenden Virus die Stirn zu bieten. Social Distancing wird teils auf die leichte Schulter genommen. Die Natur regelt es nun eben selbst – einen Virus für dich, einen für mich – beim Abschied sagen. Dann der erste Infizierte. Die Medien berichten. Nur sind sie hier noch etwas lauter und schriller, bunter. Irgendwie erfrischend auch. Unser Start hier wird auf die eine oder andere Probe gestellt. Teils aufgrund anderer Vorstellungen unsererseits, meist aber, weil die Startmodalitäten etwas suboptimal angelegt sind oder sich laufend ändern.

¡ALERTA!

Eine kleine Corona auf der Terrasse. Fürs Immunsystem.

Nun ist alles anders. Wir sind positiv überrascht, wie schnell hier reagiert wird. Mit Massnahmen, wie der Schliessung der Schulen und der Inkraftsetzung des nationalen Notstandes. Peru hat hier schneller reagiert als die Schweiz. Dies, obwohl wir hier konstant sechs Stunden, während der Sommerzeit sieben, im Rückstand sind. Die Schule wird geschlossen. Noch vor der Schule in Ittigen und auch wir unterrichten nun von zu Hause aus. Distance Learning. Dabei wohnen wir nur drei Minuten von der Schule entfernt. Mit dem Fahrrad. In Lima ist das nun beinahe Körperkontakt. Der Aufwand ist immens. Die Planung der Lerninhalte und das Erstellen von Videos um den Unterricht für die Schüler einigermassen attraktiv zu gestalten, kollidieren mit den Erwartungen an die rasche Erledigung der Korrekturarbeiten. Die Eltern sind anspruchsvoll und schon nach wenigen Tagen beklagen sich die einen über zu viele Aufgaben, die anderen über zu wenig. Und so gestalten sich die Arbeitstage oft länger als zu früheren Zeiten.

Während der Rushhour praktisch kein Durchkommen möglich. Jetzt sind die Strassen leer.

Jetzt sind die Strassen leer. Wo wir während der Rushhour minutenlang mit dem Fahrrad zum Überqueren einer Avenida gewartet haben, fahren wir nun auf der Gegenfahrbahn ohne Verkehr Richtung Wong. Beim Einkaufszentrum stehen wir in der Schlange, am Boden im Meterabstand gelbe, abgewetzte Klebestreifen, die beim Anstehen und Abstandhalten helfen sollen. Soldaten assistieren dem Verkaufspersonal, die Schlange vor dem Eingang in geordnete Bahnen zu lenken. Am Ein- und Ausgang wird auf die Hände Desinfektionsmittel gesprüht, der Einkaufszettel wird am Ausgang nochmals verlangt und mit einem Stempel und einer Unterschrift quittiert. Wofür erfahren wir nie. Wir haben auch nicht gefragt. Alle sind sehr freundlich. Und beim nächsten Einkauf sollen wir doch eine Maske tragen, oder sonst etwas vor dem Gesicht. Machen wir. Alle tragen Masken, aber man kann keine kaufen.

Ein Meter Abstand, manchmal auch etwas mehr.
Wir halten uns an die Regeln.
Die wenigen Fahrzeuge auf der Strasse, meist Militär oder Polizei.
Ohne Worte.

Die Polizei fährt Abends im Schritttempo durchs Quartier, spielt in maximaler Lautstärke peruanische Vereinigungslieder über die Dachlautsprecher ab. “Contigo Perú” – Die inofizielle Landeshymne.

Jeden Abend um acht wird auf den Dächer Limas geklatscht und gerufen. Als mentale Unterstützung für das Pflegepersonal und als Ritual, welches den Zusammenhalt der Bevölkerung stärken soll. ¡Juntos contra el virus!

Sonst ist alles ruhig, irgendwie gespenstisch. Militärs halten an der Strasse Wagen und Motorräder an, verlangen Ausweise, diskutieren, lassen passieren. Wir gehen kurz einkaufen. Sind froh wieder zu Hause zu sein. Helikopter kreisen über der Stadt.