Die peruanische Küche ist kein Geheimtipp mehr. Schon seit einiger Zeit ist Peru dabei, sich auf der kulinarischen Weltkarte in den vorderen Rängen zu etablieren.

Allein unter den 50 besten Restaurants der Welt («World’s 50 best Restaurants» eine mehr oder weniger umstrittene Liste, für diesen Blogeintrag aber recht dienlich) finden sich aktuell drei Restaurants, welche in Lima beheimatet sind. Ausserdem haben die Autoren dieser Liste Pía León, die Besitzerin des Restaurants «Kjolle», kürzlich zur besten Köchin der Welt erkoren.

Das «Kjolle» stand als Erstes auf unserer Liste, um die Haute Cuisine Perus zu erkunden. Das Restaurant befindet sich im Stadtteil Barranco. Sein Name steht für einen zähen Baum, der in extremer Höhe wächst und dort den schwierigen klimatischen Bedingungen trotzt – dünne Luft, die Sonne brennt. Das Ambiente des Restaurants ist schlicht und unaufgeregt eingerichtet. Hohe Räume, mit Pflanzen begrünt, massive Holztische mit eingelassenen Steinplatten schaffen eine elegante und doch entspannte Atmosphäre, gar nicht überkandidelt. Pía León verspricht ein gastronomisches Erlebnis, das so kunterbunt sei wie die Natur und Kultur des Landes. Sie verarbeitet in ihrer Küche Zutaten aus ganz Peru, Früchte aus dem Amazonasgebiet, Kartoffeln aus dem Andenhochland sowie Fisch und Meeresfrüchte aus dem Pazifik.

Vor dem Essen erhalten die Gäste ein feuchtes, warmes Tuch, um sich damit die Hände zu reinigen. Gerne würde man auch gleich das Gesicht hineinstecken, so wohlriechend ist es. Als Einstieg werden zweierlei Brote serviert, ein dunkles und ein Kartoffel-Brot, welche mit Butter und einer Aji-Sauce bestrichen wunderbar schmecken und noch knusprig warm sind.

Danach geht es los mit dem Acht-Gänger: «Mashawa Negra», «Corvina y Almeja», «Conchas y Pepino Melón», «Muchos Tubérculos» sind nur einige der Namen der verschiedenen, liebevoll angerichteten Gerichte. Vor jedem Gang gibt es vom kompetenten Servicepersonal eine kurze Einführung mit einer Erklärung zu Herkunft und Verzehr der Speise. Das ist nicht nur sehr interessant, sondern auch hilfreich, könnte man doch beim Anblick dieser kulinarischen Kunstwerke schnell mal überfordert sein. Serviert werden die Speisen kunstvoll drapiert in erlesenem Geschirr und Schalen, von lokalen Töpferateliers gefertigt. Das Essen ist ein einzigartiges Erlebnis und jeder Gang schmeckt unvergleichlich. Die Aromen sind komplex und die Kombinationen überraschend. Der Wein, der dazu gereicht wird, rundet die ganze Sache wunderbar ab. Wir staunen einen Abend lang und sind danach noch lange begeistert von diesem kulinarischen Höhenflug.

Die gastronomische Reise in der Haute-Cuisine Perus geht weiter im Restaurant «Central». Es ist das Zuhause der Küche von Virgilio Martínez, dem Mann von Pía León. Sein Restaurant rangiert aktuell auf Platz zwei der «World’s 50 best Restaurants»-Liste. Es ist ebenfalls in Barranco, im selben Gebäudekomplex beheimatet, wie das Restaurant «Kjolle». Dem «Central» und Virgilio Martínez wurde in der Netflix-Serie «Chiefs Table» eine Folge gewidmet, welche wir in der Schweiz fasziniert geschaut haben, mit der Aussicht, einmal dort einkehren zu können. Nun bot sich uns also in Lima die Möglichkeit, eben diese Küche in echt zu erleben. Und Virgilio Martínez war sogar da, als wir bei ihm Gäste waren und hat höchst persönlich an unserem Tisch beim Finish einiger Speisen Hand angelegt.

Virgilio Martinez legt beim Anrichten einiger Speisen selber Hand an.
Virgilio Martínez legt beim Anrichten einiger Speisen selber Hand an.

Die Speiseabfolge des mehr gängigen Menüs folgt dem Prinzip der Höhenmeter, auf welchen sich die jeweiligen Zutaten finden. Der Anfang macht ein Fisch, der aus einem Meter unter dem Meeresspiegel gefischt wurde. Mit jeder weiteren Speise steigen wir in der Höhenmeter-Skala, bis hin zu einem Gericht, welches Virgilio Martínez aus Zutaten zaubert, welche er auf über 3000 Metern Höhe über Meer gefunden hat. Er experimentiert mit diesen Zutaten und ist viel im Land unterwegs, um immer neue Ingredienzen zu finden für seine Kreationen. Sie wirken manchmal wie kleine Nachbildungen der Natur und Landschaft Perus. Zum Gang mit dem Fisch-Schaum werden die Köpfe des Paiche – eines Fisches aus dem Amazonas – einfach als Dekoration mitgeliefert. Als Untersetzer der Suppenschale dient die getrocknete Haut eben dieses Fisches. Martínez beschert seinen Gästen eine einmalige kulinarische Reise durch das ganze Land, ein spannender Mix aus Geschmack und Textur. Alles ist mit viel Liebe zum Detail angerichtet, mit Pinzetten drapierte Kunstwerke. Jedes Gericht hat eine eigene Geschichte und Herkunft, mit ungewöhnlichen Aromen, welche bisher noch unbekannt waren. Die Faszination, welche wir bereits beim Schauen der Netflix-Doku hatten, hat sich hier mit jedem Bissen in unsere Gaumen verlagert.

Ein weiterer Höhepunkt auf der kulinarischen Reise in Lima war das Restaurant «Maido». Dieses befindet sich derzeit auf Rang elf, der «World’s 50 best Restaurants»-Liste und hat sich auf Nikkei-Küche spezialisiert – eine Fusion von peruanischen und japanischen Einflüssen. Der Chef hier ist Mitsuharu “Micha” Tsumura, ein gebürtiger Limeño mit japanischen Wurzeln. Sein Restaurant befindet sich im Zentrum von Miraflores und hat eine warme und einladende Atmosphäre, mit einer beeindruckender Deckeninstallation aus dicken Seilen. Alles wirkt höchst unkompliziert und äusserst freundlich, man fühlt sich gleich willkommen. Hier stehen elf Gänge auf der Menükarte. Jedes einzelne Gericht ist ein Erlebnis für Auge, Nase und Gaumen. Die Präsentation der Speisen ist spektakulär. Es wird nicht nur in Schalen und Tellern serviert, die kulinarischen Kreationen liegen auch mal in einem Schiffchen aus kleinen Zweigen, einer grossen Nussschale oder auf einem massiven Stein mit Einbuchtung. Einer der Gänge sind beispielsweise drei kleine Kartoffeln in einer Kruste, welche den schwarzen Steinen nachempfunden ist, welche um die Kartoffeln drapiert sind. Einige Speisen werden am Tisch zubereitet, was das kulinarische Spektakel komplett macht.

Restaurant Maido – Speisezubereitung am Tisch

Lustiger Nebenaspekt: Nach unserem Besuch im Restaurant «Maido» haben wir erfahren, dass ein Mitglied der «Hundespielgruppe», Cesar Choy, der dortige Geschäftsführer ist.

So interessant und beeindruckend die Erfahrung mit dieser famosen Gastronomie auch war, ist es uns wichtig zu bedenken, dass es für die Mehrheit der Menschen in Peru immer noch eine Herausforderung ist, jeden Tag genug Essen auf dem Teller zu haben. Die Tatsache, dass ganz viele sich niemals in einem dieser exklusiven Etablissements eine Mahlzeit werden leisten können, ist eine deutliche Erinnerung an die Ungleichheit, die in diesem Land herrscht. Die Schere zwischen Arm und Reich ist hier gigantisch weit geöffnet. Diese gesellschaftliche Ungleichheit verpasst dem Besuch eines dieser Restaurants einen fahlen Beigeschmack, zu Recht.